Das Rennenberger Kreuz

In den tiefen Wäldern, die den Rennenberg durchziehen, der zwischen Winterscheid und dem Bröltal gelegen ist, gibt es eine geheimnisvolle Stätte, die von einer alten Eiche beschützt wird – das Rennenberger Kreuz. Diese eindrucksvolle Sage, überliefert aus dem Volksmund und schriftlich mitgeteilt von Lehrer Rosenthal in Köln, erzählt von einer beunruhigenden Begegnung in dieser idyllischen Umgebung.

Es war ein gewöhnlicher Tag für einen Jäger, der sich durch den dichten Wald bewegte. Seine Büchse war bereit, und er hatte bereits mehrmals den Abzug gedrückt, aber keine Kugel fand ihr Ziel. Enttäuscht und frustriert über sein erfolgloses Unterfangen näherte er sich dem Rennenberger Kreuz, als die letzten Strahlen der Abendsonne den Himmel in ein sattes Rot tauchten. Unter dem schützenden Geäst der alten Eiche erlebte er dann etwas, das ihm den Atem raubte.

Ein flüchtiges Reh überquerte seinen Pfad, und der Jäger hob seine Büchse, um einen Schuss abzufeuern. Doch bevor er abdrücken konnte, war das Tier verschwunden. In einem Anflug von Wut und Enttäuschung schrie der Jäger: “Und wenn ich sonst nichts treffen kann, werde ich zumindest dich nicht verfehlen!” Er richtete seine Waffe auf das Kreuzbild. Der Schuss krachte, und ein grässlicher Fluch entkam seinen Lippen. Doch das Kreuz blieb unberührt, von den letzten Sonnenstrahlen umflutet.

Der Jäger legte erneut an, diesmal mit seiner letzten Kugel. Aber das flackernde Licht der Abendglut, das durch das Blätterwerk schien, verwirrte sein Auge. Sein Blick zitterte, als er verzweifelt das Ziel anvisierte. Ein weiterer Schuss erklang, und als der Rauch sich verzogen hatte, lag der Jäger, vom Blitz des Unheils getroffen, am Boden. Seine Hand umklammerte noch immer die Büchse, und die Schatten des unversehrten Kreuzes hüllten den Sünder ein.

Seit jenem Tag hören Wanderer oft in der Nacht ein unheimliches Getöse im Wald. Ängstlich eilen sie weiter, denn der wilde Jäger zieht vorbei, auf der Suche nach Ruhe im Jenseits, doch verflucht, den Wald bis zum jüngsten Tag im nächtlichen Dunkel zu durchstreifen. Ob das Dörfchen Schreckenberg seinen Namen von dieser Begebenheit ableitete kann heute niemand mehr mit Gewissheit sagen.

Quelle: “Bergische Sagen, 2. Auflage”, von Otto Schell, erschienen 1922.

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