Zwischen Kapitulation und Würde: Kiews schwerste Entscheidung unter dem Druck eines US-Friedensplans und dem drohenden Winter


Fokus-Land heute: Ukraine

Kiews Dilemma: Ein umstrittener Friedensplan und der eiskalte Winter

Die Ukraine steht an einem Scheideweg, der wohl zu den schwierigsten in ihrer modernen Geschichte zählt. In den letzten zwei Wochen hat ein von den USA unterstützter Friedensplan die politische Landschaft Kiews erschüttert und Präsident Wolodymyr Selenskyj vor eine schier unlösbare Aufgabe gestellt. Gleichzeitig eskaliert der Energiekrieg mit Russland, und die bevorstehenden Wintermonate drohen, das Land in eine noch tiefere humanitäre Krise zu stürzen. Diese doppelte Belastung – diplomatischer Druck von außen und brutale Realität im Inneren – prägt derzeit die Stimmung und die Entscheidungen in der Ukraine.

Der 28-Punkte-Plan: Eine Zumutung für Kiew

Im Zentrum der Debatte steht ein 28-Punkte-Friedensplan, der Berichten zufolge von der US-Regierung – mit Beteiligung Russlands – ausgearbeitet und der Ukraine präsentiert wurde. Die Details dieses Plans sind für Kiew äußerst heikel. Er soll die Ukraine dazu auffordern, Gebietsabtretungen zu akzeptieren, darunter die Krim und den Donbas, und die Frontlinien in Cherson und Saporischschja einzufrieren. Zudem würde der Plan eine Reduzierung der ukrainischen Streitkräfte und einen Verzicht auf eine NATO-Mitgliedschaft vorsehen.

Präsident Donald Trump hat Berichten zufolge eine Frist bis zum US-Erntedankfest gesetzt, bis zu der Selenskyj dem Plan zustimmen soll. Diese Forderungen wurden von ukrainischen und europäischen Beamten scharf kritisiert. Sie bezeichnen den Plan als „absurd“, eine „Kapitulation“ und eine weitgehende Übernahme der Forderungen Moskaus. Selenskyj selbst sprach von einem „der schwierigsten Momente in unserer Geschichte“ und der Wahl zwischen dem „Verlust der Würde oder dem Risiko, einen wichtigen Partner zu verlieren“.

Internationale Reaktionen und Kiews Widerstand

Die europäischen Verbündeten der Ukraine, darunter Frankreich, Deutschland und Großbritannien, haben sich solidarisch gezeigt. Sie betonten, dass ein fairer und dauerhafter Frieden nur unter Berücksichtigung der „roten Linien“ der Ukraine erreicht werden könne und dass sie in alle Vorschläge für die zukünftige Sicherheit Europas einbezogen werden müssten. Eine ukrainische Delegation, verstärkt durch europäische Vertreter, traf sich in der Schweiz mit US-Beamten, um den Vorschlag zu erörtern. Die Legitimität des Plans wurde zusätzlich in Frage gestellt, als US-Senatoren erklärten, Außenminister Marco Rubio habe dementiert, dass der Plan von den USA stamme und ihn als „Wunschliste“ der Russen bezeichnet; Rubio stellte später klar, dass der Plan von den USA verfasst, aber auch auf russischen Eingaben basiere.

Die ukrainische Führung beharrt darauf, dass sie kein Land abtreten wird, das Russland nicht bereits militärisch erobert hat. Eine Reduzierung der eigenen Streitkräfte auf Diktat Moskaus würde als Verrat an der Unabhängigkeit des Landes empfunden. Die Stimmung im Land ist eine Mischung aus Erschöpfung durch den fast vierjährigen Krieg und einer tief verwurzelten Entschlossenheit, die Souveränität nicht preiszugeben. Gleichzeitig zwingt die innenpolitische Lage, darunter ein großer Korruptionsskandal, die Regierung zu verstärkter Einheit und effektivem Handeln.

Der drohende Winter: Eine weitere Front

Parallel zu diesem diplomatischen Tauziehen kämpft die Ukraine gegen eine weitere, ebenso existenzielle Bedrohung: Russland hat seine Angriffe auf die Energieinfrastruktur des Landes massiv verstärkt. Im Oktober 2025 wurde die höchste Zahl von Angriffen auf die Energieinfrastruktur seit Beginn des Krieges verzeichnet, und der November brachte keine Entspannung. Diese Angriffe führen zu flächendeckenden Stromausfällen und verursachen immense Not, da der Winter mit Temperaturen von bis zu minus 20 Grad Celsius naht.

Humanitäre Organisationen wie die Internationale Föderation der Rotkreuz- und Rothalbmondgesellschaften (IFRC) warnen, dass dieser Winter der härteste seit Jahren werden könnte, da die Ersparnisse vieler Familien erschöpft sind und die Preise steigen. Die Zerstörung der Energieversorgung wirkt sich nicht nur auf private Haushalte aus, sondern auch auf Bildungseinrichtungen, da Fernunterricht aufgrund mangelnder Elektrizität und Heizung unterbrochen wird. Die Ukraine reagiert auf diese Angriffe mit eigenen Schlägen gegen die russische Energieinfrastruktur, um Moskaus Einnahmen zu schmälern.

Fazit: Ein Winter der Entscheidungen

Die Ukraine steht vor einem Winter, der nicht nur auf den Schlachtfeldern, sondern auch an den Verhandlungstischen und in den kalten, dunklen Städten entschieden wird. Der Druck, einen Friedensplan zu akzeptieren, der von vielen als „Kapitulation“ empfunden wird, ist enorm. Verstärkt wird er durch die brutale Realität der russischen Angriffe auf die Energieversorgung, die Millionen Menschen in Angst vor Kälte und Dunkelheit versetzen. Die Fähigkeit der ukrainischen Führung, nationale Würde und Souveränität zu wahren, während sie gleichzeitig die Unterstützung ihrer Partner nicht verliert und das Überleben ihrer Bevölkerung sichert, wird in den kommenden Wochen auf eine harte Probe gestellt. Es ist ein schmaler Grat, auf dem Kiew wandelt, und die Augen der Welt blicken gebannt auf die Entscheidungen, die dort getroffen werden müssen.

Symbolbild: Pixabay / Dusan_Cvetanovic


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