Fokus-Land heute: Indien
Ein neues Kapitel der digitalen Souveränität
Indien, die bevölkerungsreichste Nation der Welt und eine rapide wachsende Digitalwirtschaft mit über 800 Millionen Internetnutzern, hat in den letzten zwei Wochen einen entscheidenden Schritt in Richtung digitaler Souveränität vollzogen. Am 13. November 2025 veröffentlichte das indische Ministerium für Elektronik und Informationstechnologie die finalen Durchführungsbestimmungen zum Digital Personal Data Protection Act 2023 (DPDPA), womit das erste umfassende Datenschutzgesetz des Landes operativ in Kraft tritt. Dies markiert eine Zeitenwende für Unternehmen und Bürger gleichermaßen und positioniert Indien als verantwortungsvollen globalen Akteur im datengetriebenen Zeitalter.
Hintergrund und Notwendigkeit
Der Weg zu einem robusten Datenschutzrecht war lang und komplex. Nachdem der DPDPA bereits im August 2023 vom Parlament verabschiedet wurde, folgten zehn Monate des Wartens auf die konkreten Regeln. Die Notwendigkeit eines solchen Gesetzes wurde durch Indiens explosionsartiges Wachstum im Technologiesektor und die zunehmende Digitalisierung des Alltags immer offensichtlicher. Mit einer Wirtschaft, die weiterhin zu den am schnellsten wachsenden der Welt gehört und Prognosen von über 6 Prozent BIP-Wachstum bis 2029, zieht Indien enorme Investitionen und digitale Innovationen an. Doch mit den Chancen wuchsen auch die Risiken für die Privatsphäre der Bürger. Das neue Gesetz soll nun einen Rahmen schaffen, der Innovation fördert, gleichzeitig aber die Grundrechte auf Schutz personenbezogener Daten sichert.
Kernpunkte des DPDPA 2023
Das DPDPA etabliert ein einwilligungsbasiertes System, das vorschreibt, wie Unternehmen und Behörden personenbezogene Daten erheben, verarbeiten und schützen müssen. Zu den zentralen Pflichten für sogenannte „Data Fiduciaries“ (Datenverantwortliche) gehören die Ernennung von „Consent Managern“ und Datenschutzbeauftragten, die Implementierung von Systemen für ausdrückliche Nutzererlaubnisse und die Meldung von Datenpannen innerhalb von 72 Stunden. Ein besonderer Fokus liegt auf dem Schutz von Minderjährigen: Vor der Verarbeitung von Daten unter 18-Jähriger ist die nachweisbare Einwilligung eines Elternteils oder Vormunds erforderlich, und verhaltensbasiertes Tracking von Kindern ist grundsätzlich untersagt, außer in Ausnahmefällen für Sicherheit und Bildung.
Auswirkungen auf Wirtschaft und Gesellschaft
Für internationale Konzerne wie Google, Meta oder Amazon, die massiv in Indien operieren, beginnt nun ein Wettlauf gegen die Zeit. Sie müssen ihre Compliance-Praktiken an die indischen Spezifika anpassen. Das Gesetz sieht gestaffelte Fristen für die Umsetzung vor, wobei alle Compliance-Pflichten spätestens ab Mai 2027 vollständig gelten sollen. Unternehmen, die bereits nach der europäischen DSGVO arbeiten, könnten zwar Vorteile haben, müssen aber dennoch maßgeschneiderte Lösungen für die indischen Anforderungen entwickeln. Verstöße können drakonische Strafen von bis zu 250 Crore Rupien (umgerechnet rund 27 Millionen Euro) nach sich ziehen.
Für die indischen Bürger bedeutet das DPDPA eine Stärkung ihrer digitalen Rechte. Es gibt ihnen mehr Kontrolle darüber, wie ihre persönlichen Daten gesammelt, gespeichert und verwendet werden. Dies ist besonders relevant in einem Land, in dem soziale und wirtschaftliche Ungleichheiten sowie Bedenken hinsichtlich der Freiheit der Meinungsäußerung und des Schutzes von Minderheiten bestehen. Die Operationalisierung des DPDPA wird die digitale Landschaft Indiens nachhaltig prägen und das Vertrauen in die digitale Wirtschaft des Landes stärken.
Die Stimmung im Land
Die Stimmung im Land ist geprägt von einer Mischung aus Optimismus hinsichtlich der wirtschaftlichen Entwicklung und einer wachsenden Sensibilität für digitale Rechte. Während die Regierung die Einführung des DPDPA als Beweis für Indiens Engagement für eine verantwortungsvolle digitale Zukunft feiert, blicken Unternehmen mit einer Mischung aus Herausforderung und Notwendigkeit auf die neuen Regeln. Die Zivilgesellschaft und Datenschützer sehen in dem Gesetz einen wichtigen Schritt, werden aber genau beobachten, wie die Umsetzung in der Praxis erfolgt, insbesondere im Hinblick auf die Balance zwischen staatlicher Überwachung und dem Schutz individueller Freiheiten. Indien festigt damit seinen Anspruch, nicht nur eine wirtschaftliche Großmacht zu sein, sondern auch eine führende Rolle in der globalen Debatte um digitale Ethik und Governance einzunehmen.
Symbolbild: Pixabay / geralt
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