Fokus-Land heute: China
Ein Pulverfass in Ostasien: Taiwan als Brennpunkt der Spannungen zwischen China und Japan
Die letzten zwei Wochen waren geprägt von einer alarmierenden Eskalation der Spannungen in Ostasien, deren Epizentrum einmal mehr die Taiwan-Frage bildet. Die Rhetorik zwischen Peking und Tokio hat sich drastisch verschärft, befeuert durch Äußerungen der japanischen Premierministerin Sanae Takaichi und Chinas harsche Reaktionen. Die Vereinigten Staaten, als wichtiger Akteur in der Region, sind ebenfalls tief in die diplomatischen Verwicklungen involviert, was die Situation zu einem komplexen und potenziell gefährlichen geopolitischen Schachspiel macht.
Hintergrund: Die „Ein-China“-Politik und Japans strategische Neubewertung
Die Volksrepublik China betrachtet Taiwan als eine abtrünnige Provinz, die mit dem Festland wiedervereinigt werden muss, notfalls mit militärischer Gewalt. Dies ist ein Kernbestandteil der „Ein-China“-Politik, die Peking von allen Ländern der Welt einfordert. Japan hingegen hat traditionell eine ambivalente Haltung, erkennt zwar die „Ein-China“-Politik an, pflegt aber gleichzeitig enge, inoffizielle Beziehungen zu Taiwan, das für seine Wirtschaft und seine strategische Lage von großer Bedeutung ist.
Diese strategische Zurückhaltung Japans scheint sich unter der neuen Premierministerin Sanae Takaichi zu ändern. Bereits Anfang November erklärte Takaichi im japanischen Parlament, ein chinesischer Angriff auf Taiwan könnte eine „existenzbedrohende Situation“ für Japan darstellen. Dies würde es Japan ermöglichen, im Rahmen seiner Friedens- und Sicherheitsgesetzgebung militärisch in kollektiver Selbstverteidigung zu handeln.
Die jüngste Eskalation: Worte, Drohungen und Raketen
Pekings Reaktion auf Takaichis Äußerungen war erwartungsgemäß heftig. Chinas Außenministerium verurteilte die Aussagen scharf und forderte einen Widerruf. Der chinesische Generalkonsul in Osaka, Xue Jian, sorgte mit einer inzwischen gelöschten Äußerung auf X (ehemals Twitter) für Empörung, in der er drohte, „einen schmutzigen Hals ohne einen Moment des Zögerns abzuschneiden“ – eine Aussage, die von vielen als direkte Drohung gegen Takaichi interpretiert wurde.
Die Spannungen haben sich seitdem auf mehreren Ebenen manifestiert. China hat nicht nur diplomatische Proteste eingelegt, sondern auch eine Reisewarnung für Japan herausgegeben und den Import japanischer Meeresfrüchte wieder verboten, was die ohnehin belasteten Wirtschaftsbeziehungen weiter verschärft. Militärisch hat China ebenfalls Stärke demonstriert, indem es Patrouillen von Küstenwachschiffen um die umstrittenen Senkaku-Inseln (von China Diaoyu genannt) verstärkte und militärische Drohnen in der Nähe der japanischen Insel Yonaguni operieren ließ.
Ein weiterer entscheidender Punkt der Eskalation ist Japans Plan zur Stationierung von Mittelstrecken-Boden-Luft-Raketen auf der Insel Yonaguni, die nur etwa 110 Kilometer östlich von Taiwan liegt. Japans Verteidigungsminister Shinjiro Koizumi verteidigte die Maßnahme als notwendige Verteidigungsstrategie zur „Verringerung der Möglichkeit bewaffneter Angriffe auf unser Land“. Peking hingegen wirft Tokio vor, bewusst Konfrontation zu schüren und die Region in eine „Katastrophe“ zu treiben.
Die Rolle der Vereinigten Staaten und die „Sechs Zusicherungen“
Inmitten dieser wachsenden Spannungen spielen die Vereinigten Staaten eine entscheidende Rolle. Am 20. November führte US-Präsident Donald J. Trump ein Telefonat mit dem chinesischen Staatschef Xi Jinping. Laut chinesischen Staatsmedien betonte Xi dabei, dass die „Rückkehr Taiwans zu China ein integraler Bestandteil der internationalen Nachkriegsordnung“ sei. Trump bezeichnete die Beziehungen zu China als „extrem eng“ und kündigte eine Reise nach Peking für April 2026 an.
Gleichzeitig verstärkt der US-Kongress seine Unterstützung für Taiwan. Der US-Senat hat am 20. November den „Six Assurances to Taiwan Act“ eingebracht, ein überparteiliches Gesetz, das die seit Langem bestehenden sechs Zusicherungen der USA an Taiwan kodifizieren und somit rechtlich verankern würde. Diese Zusicherungen, die auf die Reagan-Administration von 1982 zurückgehen, umfassen unter anderem die Nichtfestlegung eines Enddatums für Waffenverkäufe an Taiwan und die Nichtanerkennung der chinesischen Souveränität über Taiwan. Das Gesetz soll sicherstellen, dass künftige Regierungen diese Verpflichtungen nicht ohne Zustimmung des Kongresses ändern können, was Taiwans Verteidigungsfähigkeit stärken und Pekings Druck entgegenwirken soll.
Stimmung im Land: Zwischen Nationalismus und Besorgnis
In China ist die offizielle Linie klar: Taiwan ist untrennbarer Bestandteil Chinas, und jede Einmischung von außen wird als Verletzung der Souveränität betrachtet. Die staatlichen Medien schüren einen starken Nationalismus und verurteilen Japans Haltung als gefährliche Provokation, die die „rote Linie“ überschreitet. Die Bevölkerung wird über die staatlich kontrollierten Kanäle mit dieser Sichtweise konfrontiert, was eine breite Unterstützung für Pekings harte Linie erwarten lässt.
Allerdings zeigen Umfragen (wenn auch ältere Daten, die eine tendenzielle Verschiebung andeuten), dass die öffentliche Meinung in China nuancierter sein könnte. Während die „Wiedervereinigung“ ein starkes nationales Ziel bleibt, scheint die Bereitschaft, militärische Gewalt anzuwenden, bei einem Teil der Bevölkerung abzunehmen, insbesondere angesichts der potenziellen wirtschaftlichen und menschlichen Kosten. Dennoch bleibt die Ablehnung jeglicher ausländischer Einmischung in die Taiwan-Frage tief verwurzelt und wird von der Führung gezielt genutzt, um die Einheit hinter ihrer Politik zu stärken. Die Stimmung ist somit eine Mischung aus entschlossenem Nationalismus und einer latenten Besorgnis über die Konsequenzen einer militärischen Konfrontation, die die Stabilität der Region und Chinas eigene Entwicklung gefährden könnte.
Symbolbild: Pixabay / lucasgeorgewendt
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