Frankreich im Protest: Regierung Lecornu startet unter Druck durch Sozialabbau

Frankreich: Eine Nation im Widerstand gegen den Sozialabbau

In Frankreich regen sich weiterhin massive Proteste gegen die Sozialpolitik der Regierung. Die Bevölkerung wehrt sich vehement gegen geplante Kürzungen und Sparmaßnahmen, die als Angriff auf den sozialen Zusammenhalt des Landes empfunden werden. Diese Widerstandsbewegung manifestiert sich in Streiks und Demonstrationen, die auf eine tiefsitzende Unzufriedenheit mit der politischen Führung und deren wirtschaftlichem Kurs hindeuten.

Aktuelle politische Lage und Sparpläne

An der Spitze des Staates steht weiterhin Präsident Emmanuel Macron, dessen Zustimmungswerte laut einer IFOP-Umfrage vom 13. bis 21. November 2025 mit 84 % negativen Bewertungen auf einem niedrigen Niveau verharren. Ein wachsender Anteil der Bevölkerung äußert sich „kategorisch unzufrieden“ mit seiner Amtsführung.

Seit dem 9. oder 10. September 2025 ist Sébastien Lecornu Premierminister, nachdem er Michel Barnier ablöste, der seinerseits Gabriel Attal nach nur wenigen Monaten im Amt nachfolgte. Die Regierung Lecornu, die im Oktober 2025 gebildet wurde, gilt als relativ neu und sieht sich sofort mit erheblichen Herausforderungen konfrontiert.

Zentraler Konfliktpunkt ist der Haushaltsplan für 2026, der weitreichende Sparmaßnahmen vorsieht, um das öffentliche Defizit zu senken. Der Internationale Währungsfonds (IWF) empfiehlt Frankreich, seine öffentlichen Ausgaben, insbesondere in den Bereichen Verwaltung und Sozialversicherung, zu senken. Insgesamt sind Haushaltskürzungen in Höhe von rund 44 Milliarden Euro im Gespräch, die vor allem die öffentlichen Dienste betreffen sollen. Premierminister Lecornu hat versucht, die Wirtschaft zu beruhigen, indem er ankündigte, dass einige vom Parlament beschlossene Steuermaßnahmen aufgrund verfassungsrechtlicher Bedenken möglicherweise nicht umgesetzt werden. Der Senat hat am 15. November 2025 bei der Prüfung des Sozialversicherungsfinanzierungsgesetzes für 2026 sogar vorgeschlagen, eine Leistungskürzung wieder einzuführen und die Rentenreform auszusetzen. Die öffentlichen Ausgaben Frankreichs im sozialen Bereich sind mit 32,3 % des BIP deutlich höher als der EU-Durchschnitt von 26,5 %.

Aktuelle Proteste und Arbeitskämpfe der letzten 7 Tage

Der Widerstand gegen die Sozialabbaupolitik ist in Frankreich allgegenwärtig und hat sich in den letzten sieben Tagen (16. bis 23. November 2025) in verschiedenen Formen manifestiert:

  • Streik der Pariser Müll- und Kanalisationsarbeiter: Seit dem 12. November läuft ein wiederholt verlängerbarer Streik der Müllabfuhr- und Kanalisationsarbeiter in Paris, der von der CGT-FTDNEEA organisiert wird. Die Forderungen konzentrieren sich auf bessere Arbeitsbedingungen und höhere Löhne. Dieser Streik führte zu erheblichen Störungen bei der Abfallentsorgung in den kommunal verwalteten Arrondissements.
  • Streik im schulischen Bereich in Paris: Eine zweite Woche in Folge, vom 10. bis mindestens 21. November, streikten die Mitarbeiter der Schulkantinen und außerschulischen Betreuung in Paris. Ein breites Bündnis von Gewerkschaften (SUPAP-FSU, CGT, SUD, UNSA, FO) protestiert gegen die Verschlechterung der Bedingungen für die Kinder und fordert ausreichend Personal sowie eine bessere Anerkennung ihrer Berufe. Zahlreiche Kantinen blieben geschlossen und die außerschulische Betreuung war stark beeinträchtigt.
  • Andauernde Haushaltsdebatten und Auswirkungen: Die Diskussionen um den Haushalt 2026, insbesondere um die vorgeschlagenen Kürzungen und das Anliegen der Regierung, das Vertrauen der Wirtschaft zu gewinnen, prägen die politische Landschaft. Dies schürt weiterhin die soziale Unzufriedenheit und die Bereitschaft zu Protesten.
  • Europaweiter Protestkontext: Ein Bericht vom 21. November 2025 weist darauf hin, dass in ganz Europa landesweite Streiks und Massenproteste gegen Sparpolitik und Remilitarisierung zunehmen. Regierungen in vielen Ländern bauen Sozialstaaten ab und führen regressive Arbeitsmarktreformen ein, was den Kontext für anhaltende Aktionen in Frankreich stärkt.

Die französischen Widerstandsstrategien

Die Franzosen wehren sich mit vielfältigen und oft entschlossenen Mitteln gegen den Sozialabbau:

  • Landesweite Aktionstage und Demonstrationen: Immer wieder mobilisieren Gewerkschaften und linke Gruppen Hunderttausende Menschen zu landesweiten Aktionstagen. Prominente Beispiele in diesem Jahr waren der 10. September („Bloquons tout!“ – Wir blockieren alles!) und der 18. September („Les sacrifices pour le monde du travail, ça suffit!“ – Schluss mit den Opfern für die Arbeitswelt!). Ein weiterer Aktionstag fand am 2. Oktober statt, nachdem Premierminister Lecornu nicht auf die Forderungen der Gewerkschaften reagiert hatte.
  • Breite Gewerkschaftskooperation: Oftmals gelingt es linksgerichteten Gewerkschaften wie der CGT, Solidaires und FSU, auch moderatere Verbände wie die CFDT, UNSA, CFE-CGC und CFTC für gemeinsame Aktionen zu gewinnen, um eine breite Front gegen die Regierungspolitik zu bilden.
  • „Streiks von unten“: Eine Besonderheit Frankreichs ist das individuelle Streikrecht jeder Arbeitskraft, auch für politische Streikziele. Streiks entstehen oft basisdemokratisch in sogenannten Generalversammlungen, an denen auch nicht gewerkschaftlich organisierte Beschäftigte teilnehmen.
  • Forderungen: Die Protestierenden fordern unter anderem höhere Löhne und Renten, eine stärkere Besteuerung von Vermögen und Finanzmitteln für öffentliche Dienstleistungen. Sie lehnen die geplante Kürzungspolitik und das Einfrieren von Sozialleistungen ab. Die 2023 durchgesetzte Rentenreform bleibt ebenfalls ein andauernder Streitpunkt.
  • Politische Destabilisierung: Die anhaltenden Proteste tragen zur politischen Instabilität bei, wie der Vertrauensentzug gegenüber der Regierung Bayrou im September 2025 und die darauffolgende Ernennung Lecornus zeigen. Die Gewerkschaften nutzen die Proteste als „Ultimatum“, um die Regierung zu schnellen Antworten auf ihre Forderungen zu zwingen.

Quellen: