Wohnungsnot und Obdachlosigkeit: „Bau-Turbo“ allein reicht nicht

Der Wohnungsmarkt am Limit: Zwischen „Bau-Turbo“ und steigender Obdachlosigkeit

Die Lage auf dem deutschen Wohnungsmarkt bleibt angespannt und die Rufe nach bezahlbarem Wohnraum werden lauter. Während die Bundesregierung mit einem „Bau-Turbo“ gegensteuern will, steigen die Zahlen der Wohnungslosen auf erschreckende Rekordwerte. Eine aktuelle Bestandsaufnahme zeigt, dass Mieterinnen und Mieter weiterhin unter enormem Druck stehen, während politische Maßnahmen oft zu langsam greifen oder in der Umsetzung auf Hürden stoßen.

Wohnungspolitik im Fokus: Neuer „Gebäudetyp E“ und alte Probleme

Bundesbauministerin Verena Hubertz (SPD), seit dem 6. Mai 2025 im Kabinett Merz im Amt, und Bundesjustizministerin Stefanie Hubig (SPD) haben am 20. November 2025 den neuen „Gebäudetyp E“ vorgestellt. Dieser soll das Bauen in Deutschland einfacher, schneller und günstiger machen, indem auf teure Standards verzichtet wird, etwa bei der Anzahl der Steckdosen oder beim Schallschutz. Die Ministerinnen betonten, dass Bauen „ohne Schnickschnack“ möglich sein müsse, ohne die Sicherheit zu beeinträchtigen. Ziel ist es, Bauprojekte zu beschleunigen und damit dem Mangel an bezahlbarem Wohnraum entgegenzuwirken. Die Idee hierzu stammt noch aus der Zeit der ehemaligen Ampel-Koalition.

Doch während solche Maßnahmen auf dem Papier vielversprechend klingen, warnen Kritiker, dass der „Bau-Turbo“ allein nicht ausreicht, um die seit Langem bestehenden Probleme zu lösen. Der Bundesregierung stehen im Programmjahr 2025 zwar 3,5 Milliarden Euro für den sozialen Wohnungsbau zur Verfügung, doch die tatsächliche Fertigstellung neuer Wohnungen hinkt dem Bedarf weit hinterher. Im Jahr 2024 wurden lediglich 251.900 Wohnungen fertiggestellt, der niedrigste Wert seit 2015. Experten fordern nicht nur mehr Neubau, sondern auch schnellere Bebauungspläne und die Bereitstellung weiterer Bundes- und Landesmittel.

Mietenwahnsinn und steigende Bauzinsen: Eine Spirale nach oben

Der „Mietenwahnsinn“ setzt sich vielerorts fort. Besonders in Ballungsräumen wie München sind die Mieten drastisch gestiegen. Eine Familie, die 2012 noch 850 Euro kalt für eine 75 m² Wohnung zahlte, muss heute für dieselbe Größe 19 Euro pro Quadratmeter und somit 1300 Euro kalt berappen – und findet dennoch kaum eine passende Bleibe. Im Frankfurter Bankenviertel erreichen Büromieten Rekordniveau, was indirekt auch den Druck auf den Wohnungsmarkt erhöht.

Gleichzeitig bleiben die Bauzinsen auf einem Niveau, das viele private Bauherren und Käufer abschreckt. Im November 2025 bewegen sich die aktuellen Bauzinsen für zehnjährige Zinsbindungen meist zwischen 3,4 und 4,1 Prozent pro Jahr und haben sich in den letzten Wochen kaum verändert. Trotz einer leichten Seitwärtsentwicklung sehen Experten mittelfristig leichte Schwankungen oder sogar steigende Zinsen. Dieser Zinsschock, der bereits 2022 begann, hat den Immobilienmarkt erheblich beeinflusst und den Bau neuer Wohnungen zusätzlich verteuert.

Vonovia & Co. und die Mieterrechte

Große Wohnungsunternehmen wie Vonovia stehen weiterhin im Fokus der öffentlichen Kritik. Während Finanzanalysen eine Stabilisierung und sogar steigende Gewinne der Vonovia-Aktie im November 2025 vermelden, bleibt die Situation für viele Mieter in deren Beständen prekär. Berichte über Bestandsreduzierungen großer Asset-Manager und die Abhängigkeit der Vonovia von Zins- und Inflationsentwicklung zeigen die Volatilität des Sektors. Die Verlängerung der Mietpreisbremse bis Ende 2029 ist zwar ein wichtiger Schritt für den Mieterschutz, doch sie enthält weiterhin Ausnahmen und Schlupflöcher, die nach Ansicht des Deutschen Mieterbunds dringend geschlossen werden müssen. Auch gibt es Berichte über die Ausweisung von 162 Eigentumswohnungen in Düsseldorf, die sich mit Preisen ab 200.000 Euro und Quadratmeterpreisen bis zu 10.000 Euro an ein gehobenes Klientel richten, statt den Bedarf an bezahlbarem Wohnraum zu decken.

Im Mietrecht stehen für 2025 weitere Änderungen an, die Mieterrechte stärken sollen, etwa bei der Modernisierungsumlage und dem Kündigungsschutz. Allerdings zeigen aktuelle Gerichtsurteile, wie komplex die Materie bleibt: Ein Urteil des Bundesgerichtshofs vom 24. September 2025 stellte klar, dass Umbau- und Verkaufsabsichten des Vermieters eine Eigenbedarfskündigung nicht automatisch ausschließen.

Sozialer Wohnungsbau und die Schatten der Obdachlosigkeit

Die dramatischste Entwicklung der letzten Tage ist der alarmierende Anstieg der Wohnungslosigkeit. Laut einer Hochrechnung der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe (BAGW) waren im vergangenen Jahr über eine Million Menschen in Deutschland wohnungslos, ein Anstieg von elf Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Etwa 56.000 Menschen lebten demnach vollständig auf der Straße. Die BAGW-Vorsitzende Susanne Hahmann spricht von einem Höchststand ohne Ende in Sicht. Diese Zahlen sind umso erschütternder, da die Bundesregierung eigentlich das Ziel verfolgt, Wohnungslosigkeit zu überwinden.

Kritiker monieren, dass der soziale Wohnungsbau seit Jahrzehnten vernachlässigt wurde und nun die Folgen sichtbar werden. Während die Regierung Maßnahmen wie den „Wohnungsbau-Turbo“ und die verstärkte Förderung des sozialen Wohnungsbaus ankündigt, bleiben die finanziellen Mittel und die Umsetzung oft hinter dem tatsächlichen Bedarf zurück. Die Bundesländer fordern zudem Nachbesserungen bei EU-Bauvorschriften, um nachhaltiges und bezahlbares Bauen zu ermöglichen. Die Realität ist jedoch, dass Hilfsangebote für Wohnungslose oft von Kürzungen bedroht sind, was einer Trendumkehr entgegenwirkt. Die Politik muss hier dringend handeln, um die wachsende soziale Ungerechtigkeit zu bekämpfen und ein Dach über dem Kopf für alle zu sichern.

Quellen:

Bild: Pixabay / TheDigitalArtist


Report (23.11.2025) – Immobilien-Monitor