Fokus-Land heute: China
Chinas Wirtschaft am Scheideweg: Zwischen fragiler Erholung und dem neuen Fünfjahresplan
Peking blickt mit Sorge auf die jüngsten Wirtschaftsdaten. Nach Jahren atemberaubenden Wachstums offenbaren die Zahlen der letzten Wochen eine deutliche Abkühlung, die weitreichende Fragen über die Zukunft der zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt aufwirft. Das beherrschende Thema in China ist derzeit nicht eine Naturkatastrophe oder ein außenpolitischer Konflikt, sondern die innenpolitische Herausforderung einer stockenden Wirtschaft und die strategische Neuausrichtung, die mit dem neuen Fünfjahresplan einhergeht.
Die Realität einer fragilen Erholung
Aktuelle Berichte zeigen, dass Chinas Wirtschaft im frühen vierten Quartal 2025 eine unerwartet starke Verlangsamung erlebt hat. Investitionen in Sachanlagen sind deutlich zurückgegangen, die Industrieproduktion schwächelte, und auch die Konsumausgaben der Haushalte zeigten sich verhalten. So fielen die Investitionen in Sachanlagen in den ersten zehn Monaten des Jahres um 1,7 Prozent, der stärkste Rückgang seit Langem. Im Oktober allein sollen die Investitionen sogar um bis zu 12 Prozent eingebrochen sein, was den fünften Monat in Folge mit sinkenden Zahlen markiert. Auch die Industrieproduktion wuchs im Oktober nur um 4,9 Prozent, der schwächste Wert seit Jahresbeginn und unter den Erwartungen der Ökonomen. Einzelhandelsumsätze stiegen lediglich um 2,9 Prozent, der niedrigste Wert seit Monaten.
Diese Entwicklungen deuten darauf hin, dass die Weltwirtschaftsmacht auf einem zunehmend fragilen Fundament in das letzte Quartal des Jahres 2025 eingetreten ist, nachdem sich das Wachstum bereits in den vorangegangenen sechs Monaten verlangsamt hatte. Selbst die Exporte, die 2025 ein wichtiger Wachstumsmotor waren, sind im Oktober um 1,1 Prozent gesunken.
Hintergründe der wirtschaftlichen Turbulenzen
Die Gründe für diese Abschwächung sind vielschichtig. Ein wesentlicher Faktor ist die anhaltende Krise im Immobiliensektor, der lange Zeit ein wichtiger Pfeiler der chinesischen Wirtschaft war. Der Rückgang der Immobilieninvestitionen zieht weite Kreise und belastet die gesamte Bau- und Finanzbranche. Hinzu kommen globale Unsicherheiten und eine nachlassende externe Nachfrage, die Chinas Exportmotor dämpfen.
Ein weiteres strukturelles Problem ist der demografische Wandel. Eine schrumpfende und alternde Bevölkerung bedeutet langfristig weniger Arbeitskräfte und eine geringere Konsumnachfrage. Die Regierung versucht, den Übergang von einem investitionsgetriebenen zu einem konsumorientierten Wachstumsmodell zu forcieren, doch dieser Wandel vollzieht sich langsamer als erhoff.
Zudem wachsen die Zweifel an der Transparenz der offiziellen chinesischen Wirtschaftsdaten. Einige unabhängige Analysen legen nahe, dass die tatsächlichen Wachstumsraten deutlich unter den von Peking gemeldeten Zahlen liegen könnten. Die chinesische Regierung hat in den letzten Jahren die Veröffentlichung hunderter Wirtschaftsindikatoren eingeschränkt, was die Unsicherheit bei Investoren und Analysten weiter erhöht.
Der 15. Fünfjahresplan als Kompass für die Zukunft
Inmitten dieser Herausforderungen hat die Kommunistische Partei Chinas (KPCh) auf der 4. Plenarsitzung des 20. Zentralkomitees die „Empfehlungen des ZK der KPCh zur Formulierung des 15. Fünfjahresplans für die nationale wirtschaftliche und soziale Entwicklung“ verabschiedet. Dieser Plan, der den Zeitraum von 2026 bis 2030 umfassen wird, soll einen neuen Fahrplan für den Aufbau eines starken Landes und die nationale Verjüngung Chinas vorgeben.
Im Fokus des neuen Plans stehen „hochwertige Entwicklung“ und die Förderung „neuer produktiver Kräfte“. China will die Entwicklung neuer produktiver Kräfte durch wissenschaftliche und technologische Innovation vorantreiben, Reformen in Schlüsselbereichen vertiefen und das Geschäftsumfeld optimieren, um die Marktaktivität anzukurbeln. Dies ist eine direkte Reaktion auf die Notwendigkeit, sich von der Abhängigkeit von traditionellen Wachstumsmodellen zu lösen und in zukunftsweisende Technologien zu investieren.
Stimmung im Land und die Rolle der Staatsführung
Die Stimmung im Land ist schwer zu fassen, da offene Diskussionen über die wirtschaftlichen Schwierigkeiten oft unterdrückt werden. Die Regierung hat Diskussionen über ihre Wirtschaftspolitik verboten und Kritiker bestraft. Dennoch dürften die wirtschaftlichen Herausforderungen bei der Bevölkerung spürbar sein. Die Unsicherheit über Arbeitsplätze, Immobilienwerte und die allgemeine wirtschaftliche Zukunft könnte zu einer gedämpften Stimmung führen.
Die Staatsführung unter Xi Jinping setzt auf Stabilität und Kontrolle. Die Betonung der „hochwertigen Entwicklung“ und der technologischen Eigenständigkeit im neuen Fünfjahresplan zeigt den Willen, die Zügel fest in der Hand zu halten und die Richtung vorzugeben. Die Hoffnung ist, dass gezielte staatliche Investitionen und strategische Planung China aus der aktuellen Flaute führen und eine nachhaltigere, technologiegetriebene Wirtschaft aufbauen werden. Der Erfolg dieses Plans wird nicht nur für Chinas Zukunft entscheidend sein, sondern auch weitreichende Auswirkungen auf die globale Wirtschaft haben. Die Welt blickt gespannt auf die Umsetzung der neuen Strategie, während Peking versucht, das Vertrauen der Märkte zurückzugewinnen und gleichzeitig die Kontrolle über die Erzählung zu behalten.
Symbolbild: Pixabay / geralt
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