Fokus-Land heute: Bangladesch
Ein Land in Aufruhr: Die politische Landschaft Bangladeschs
Bangladesch, ein dicht besiedelter Staat in Südasien, der an Indien und Myanmar grenzt, befindet sich erneut in einer tiefgreifenden politischen Krise. Die letzten zwei Wochen wurden von einem Ereignis dominiert, das die tiefen Gräben des Landes offenbart und die Zukunft der jungen Demokratie in Frage stellt: das in Abwesenheit gefällte Todesurteil gegen die ehemalige Premierministerin Sheikh Hasina. Dieses Urteil, das am 17. November 2025 erging, ist nicht nur ein juristischer Akt, sondern ein politisches Erdbeben, das die Spannungen zwischen der Übergangsregierung und den Anhängern der gestürzten Awami-Liga auf einen neuen Höhepunkt treibt.
Hasinas Sturz und der Ruf nach Gerechtigkeit
Die Wurzeln der aktuellen Krise reichen zurück in den August 2024, als landesweite, von Studenten angeführte Proteste, bekannt als die „Monsun-Revolution“, die 15-jährige autoritäre Herrschaft von Sheikh Hasina beendeten. Sie floh nach Indien, und eine Übergangsregierung unter der Führung des Friedensnobelpreisträgers Muhammad Yunus übernahm die Amtsgeschäfte. Ein Kernversprechen der Interimsregierung war die Rechenschaftspflicht für die Gewalt während der Niederschlagung der Proteste, bei der nach UN-Schätzungen bis zu 1.400 Menschen getötet wurden.
Das Internationale Verbrechens-Tribunal in Dhaka befand Hasina der Verbrechen gegen die Menschlichkeit für schuldig, darunter Anstiftung, Tötungsbefehle und Untätigkeit zur Verhinderung von Gräueltaten. Hasina selbst, die sich im indischen Exil befindet, wies die Vorwürfe als „politisch motivierte Farce“ zurück. Die UN-Menschenrechtsorganisation begrüßte das Urteil als „wichtigen Moment für die Opfer“, sprach sich jedoch gegen die Verhängung der Todesstrafe aus.
Die „Juli-Charta“ und der Kampf um die Zukunft
Parallel zum Prozess gegen Hasina treibt die Übergangsregierung die Umsetzung der „Juli-Charta“ voran – einen umfassenden Reformplan, der die demokratischen Institutionen stärken und eine Rückkehr zur autoritären Herrschaft verhindern soll. Die Charta, die eine Zweiterminsbegrenzung für Premierminister und erweiterte präsidiale Befugnisse vorsieht, wurde im Oktober von 25 politischen Parteien, darunter der Bangladesh Nationalist Party (BNP) und Jamaat-e-Islami, unterzeichnet. Jedoch gibt es weiterhin Meinungsverschiedenheiten, insbesondere über den Zeitplan und die Inhalte eines geplanten Referendums, das für Februar 2026 zusammen mit den nationalen Wahlen erwartet wird.
Die politische Landschaft ist von tiefen Spannungen geprägt. Hasinas mittlerweile verbotene Awami-Liga rief zwischen dem 14. und 17. November zu einem landesweiten „Lockdown“ und Protesten auf, die zu erheblichen Störungen und vereinzelt zu Gewalt führten. Beobachter befürchten eine weitere Eskalation der Gewalt und eine zunehmende Polarisierung, da die verschiedenen politischen Akteure, darunter die wiedererstarkte islamistische Partei Jamaat-e-Islami und die studentisch geprägte National Citizen Party (NCP), um Einfluss ringen.
Stimmung im Land: Zwischen Hoffnung und Angst
Die Stimmung in Bangladesch ist eine Mischung aus Unsicherheit, Angst und einer fragilen Hoffnung auf eine stabilere Zukunft. Die Menschen sind besorgt über die anhaltende politische Instabilität und die Möglichkeit neuer Unruhen, insbesondere im Vorfeld der Wahlen und des Referendums im Februar 2026. Berichte über zunehmende Bandengewalt, Angriffe auf Minderheiten und eine allgemeine Zunahme der Gesetzlosigkeit tragen zur Verunsicherung bei.
Auch die wirtschaftliche Lage bereitet Sorgen. Trotz einiger positiver Entwicklungen bei Exporten und Überweisungen kämpft das Land mit hoher Inflation, die im September 2025 auf 10,87% gestiegen ist, und einem verlangsamten Wirtschaftswachstum (3,97% im GJ 2025). Die Kluft zwischen Arm und Reich hat sich vergrößert, und die Unsicherheit schreckt Investitionen ab.
International versucht die Übergangsregierung, die Beziehungen zu diversifizieren und die langjährige Abhängigkeit von Indien zu reduzieren, was durch Indiens Weigerung, Hasina auszuliefern, zusätzlich belastet wird. Bangladesch steht an einem historischen Scheideweg. Das Todesurteil gegen Sheikh Hasina ist ein Symptom einer tiefen politischen Transformation. Ob diese Transformation zu einer inklusiven und stabilen Demokratie führt oder das Land in weitere Turbulenzen stürzt, bleibt die zentrale Frage, die die Nation in den kommenden Monaten beschäftigen wird.
Symbolbild: Pixabay / wal_172619
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