Wirtschaft am Scheideweg: EZB und Fed navigieren globale Spannungen


Wochenrückblick: Internationale Wirtschaft und Handel im Fokus

Die vergangene Woche war geprägt von geldpolitischen Weichenstellungen, anhaltenden Spannungen im Welthandel und verstärkten Regulierungsbestrebungen gegenüber Tech-Giganten. Eine kritische Betrachtung der neoliberalen Marktmechanismen zeigt, wie Staaten versuchen, die Auswüchse einer entfesselten Globalisierung einzudämmen.

Geldpolitik: Notenbanken navigieren zwischen Inflation und Wachstum

  • Die Europäische Zentralbank (EZB) hat ihren Leitzins in dieser Woche stabil gehalten, nachdem sie seit 2024 eine Reihe von Zinssenkungen vorgenommen hatte, um der rückläufigen Inflation entgegenzuwirken. Der Einlagenzinssatz liegt aktuell bei 2,00 %. Eine Debatte über mögliche weitere Zinsschritte im Jahr 2026 deutet auf anhaltende Unsicherheiten bezüglich der disinflationären Kräfte in der Eurozone hin. EZB-Präsidentin Christine Lagarde betonte am 21. November, dass Europas traditionelles exportorientiertes Wachstumsmodell unter Druck stehe und eine stärkere Konzentration auf die heimische Wirtschaft für Resilienz notwendig sei, was eine Abkehr von einer rein globalisierungsgetriebenen Wirtschaft andeutet.
  • Die US-Notenbank Federal Reserve (Fed) hatte Ende Oktober ihren Leitzins um weitere 0,25 Prozentpunkte auf eine Spanne von 3,75 % bis 4,00 % gesenkt – die zweite Senkung in Folge. Zudem wurde bekannt gegeben, dass die Politik der quantitativen Straffung zum 1. Dezember 2025 auslaufen wird, was einen Wendepunkt für die Finanzmärkte darstellen könnte. Die Wahrscheinlichkeit einer weiteren Zinssenkung im Dezember 2025 ist gestiegen, nicht zuletzt durch Äußerungen des New Yorker Fed-Chefs John Williams, der auf einen schwachen Arbeitsmarkt und eine weniger problematische Inflation verwies. Dennoch bleibt die Stimmung an den Finanzmärkten fragil, und einige Fed-Mitglieder mahnen aufgrund von Inflationsrisiken weiterhin zur Vorsicht bei schnellen Zinsschritten.
  • Die deutsche Wirtschaft zeigt im Herbst 2025 Anzeichen einer konjunkturellen Bodenbildung, gestützt durch binnenwirtschaftliche Impulse und staatliche Maßnahmen, die ab Ende 2025/Anfang 2026 an Fahrt gewinnen sollen. Die Inflationsrate lag im September knapp über 2 %, wobei Dienstleistungen weiterhin die Haupttreiber sind.

Welthandel und Handelskriege: Globale Neuordnung unter Protektionismus

  • Im Bereich des Welthandels setzte Ngozi Okonjo-Iweala im September 2025 ihre zweite Amtszeit als Generaldirektorin der Welthandelsorganisation (WTO) fort. Sie tritt für internationale Kooperation und den Abbau von Handelshürden für Entwicklungsländer ein, um dem wachsenden Protektionismus entgegenzuwirken. Auch die EU bekräftigte durch Ursula von der Leyen ihr Engagement für eine gestärkte WTO und regelbasierten Handel.
  • Jedoch prognostiziert die WTO für 2025 einen Rückgang des Welthandels, primär aufgrund der US-Zollpolitik. Obwohl die Prognose für 2025 angehoben wurde, sind die Aussichten für 2026 aufgrund der verzögerten Effekte des Handelskrieges deutlich pessimistischer, mit einem erwarteten Einbruch des Wachstums.
  • Der Handelskrieg zwischen den USA und China führt weiterhin zu erheblichen Verschiebungen der globalen Handelsströme, anstatt zu einer vollständigen Entkopplung. Beide Länder verzeichnen wirtschaftliche Einbußen, während ASEAN-Staaten profitieren. China reagiert strategisch mit Exportbeschränkungen bei Seltenen Erden und umgeht US-Restriktionen durch verstärkte Importe von High-Tech-Chips über Dritte. Die deutsche Bundesregierung unternimmt diplomatische Schritte, um die Wirtschaftsbeziehungen zu China zu stärken und Handelsspannungen abzubauen, da chinesische Produkte aufgrund der US-Zölle verstärkt auf den deutschen Markt gelangen.
  • Die BRICS-Staaten treiben indes ihre Bemühungen um eine multipolare Weltordnung und die „Dedollarisierung“ voran. Sie setzen auf die Stärkung der Süd-Süd-Kooperation und die Diversifizierung ihrer Exportmärkte, was eine Herausforderung für die etablierte, dollarzentrierte globale Finanzarchitektur darstellt.

Tech-Giganten: Der Griff der Regulierung

  • Die Europäische Union verstärkt weiterhin ihre regulatorischen Maßnahmen gegenüber den US-amerikanischen Tech-Giganten. Das Gericht der Europäischen Union wies die Klage von Amazon gegen seine Einstufung als „sehr große Online-Plattform“ ab. Dies bedeutet strengere Auflagen unter dem Digital Markets Act (DMA), die unter anderem die Bereitstellung von Empfehlungsoptionen ohne Profiling und den Zugang zu bestimmten Daten für Forscher vorschreiben.
  • Auch Microsoft und andere Cloud-Anbieter geraten ins Visier der EU-Regulierungsbehörden, die neue Vorschriften zur Interoperabilität und Datenportabilität prüfen. Diese Entwicklungen zeigen den Versuch der EU, der marktbeherrschenden Stellung der Tech-Konzerne entgegenzuwirken und einen fairen Wettbewerb sowie den Schutz der Verbraucherdaten sicherzustellen – eine notwendige Korrektur der neoliberalen Tendenz zur unregulierten Marktmacht.

Quellen: