Fokus-Land heute: Kenia
Ein Land in der Zerreißprobe: Kenias Kampf gegen die Wirtschaftskrise und die Dürre
Nairobi, Kenia – Kenia, oft als Stabilitätsanker Ostafrikas gefeiert, befindet sich in einer tiefgreifenden Krise. Während sich das Jahr 2025 dem Ende zuneigt, ringen Millionen Kenianer mit einer unerbittlichen Lebenshaltungskostenkrise, die durch eine sich verschärfende Dürre und die daraus resultierende Nahrungsmittelknappheit weiter angeheizt wird. Es ist das dominierende Thema, das die Schlagzeilen und die Gespräche im ganzen Land beherrscht und eine Nation an den Rand der Verzweiflung treibt.
Aktuelle Daten des Kenya National Bureau of Statistics (KNBS) zeigen, dass die kenianischen Haushalte Ende 2025 mit stark steigenden Kosten für lebensnotwendige Güter wie Lebensmittel, Strom und Transport kämpfen. Obwohl die offizielle Inflationsrate stabil geblieben ist, offenbart eine genauere Betrachtung, dass die Preise für Tomaten um 37,3 Prozent, Zucker um 22,6 Prozent und Kohl um 20,3 Prozent im Vergleich zum Oktober 2024 gestiegen sind. Auch die Stromkosten für einen durchschnittlichen Haushalt sind im Vergleich zum Vorjahr deutlich angestiegen. Eine Umfrage von Infotrak vom September 2025 ergab, dass die hohen Lebenshaltungskosten mit 40 Prozent die größte Sorge der Kenianer darstellen, gefolgt von Arbeitslosigkeit. Fast 79 Prozent der Befragten sind der Meinung, dass die Kosten höher sind als vor einem Jahr.
Die Schatten der Dürre: Eine tödliche Allianz
Diese wirtschaftliche Misere wird durch eine immer bedrohlichere Dürre verschärft, die weite Teile Kenias heimsucht. Der Oktober-Dezember-Saisonprognose des IGAD Climate Prediction and Applications Centre (ICPAC) zufolge besteht eine „hohe Wahrscheinlichkeit von Ernteausfällen“ sowie von erschöpften Weideflächen, akuter Wasserknappheit und Viehverlusten. Insbesondere in Nordkenia ist die Lage verheerend: Bischof Peter Kihara Kariuki von Marsabit berichtete Mitte November, dass die erwarteten Regenfälle ausbleiben und die Situation „sehr, sehr schlimm“ sei. Vieh, die Haupteinnahmequelle vieler Gemeinden, stirbt mangels Weide und Wasser.
Ein Bericht von ActionAid vom 14. November 2025 unterstreicht, dass Kenia noch immer mit den Auswirkungen einer fünfjährigen Dürre kämpft, die 2020 begann. Trotz gelegentlicher Regenfälle leiden über 1,8 Millionen Menschen unter akuter Nahrungsmittelknappheit, wobei 179.000 Menschen von Notstandshunger betroffen sind. Die US-amerikanische National Oceanic and Atmospheric Administration (NOAA) warnte am 20. November 2025 vor anhaltend trockenen Bedingungen in Kenia und der weiteren ostafrikanischen Region, was zu weiteren Nahrungsmittelengpässen führen könnte. In Mandera County sind über 100.000 Bewohner, die von der Viehzucht leben, extrem gefährdet, da Wasserquellen versiegen und Weideland schwindet.
Hintergründe und Akteure: Ein komplexes Geflecht
Die Ursachen für Kenias missliche Lage sind vielschichtig. Die Dürre, ein wiederkehrendes Muster am Horn von Afrika, wird durch den Klimawandel verschärft. Auf wirtschaftlicher Seite tragen die Abwertung des kenianischen Schillings gegenüber wichtigen Handelswährungen, die steigenden Preise für importierte Güter wie Treibstoff und Düngemittel sowie die Nachwirkungen globaler Lieferkettenstörungen zur Inflation bei. Die Regierung von Präsident William Ruto, die mit dem Versprechen angetreten ist, die Lebenshaltungskosten zu senken und die „Bottom-Up Economic Transformation Agenda“ (BETA) umzusetzen, steht unter enormem Druck. Trotz Bemühungen, wie etwa der Genehmigung von Infrastrukturprojekten und Maßnahmen zur Haushaltskonsolidierung, spüren viele Bürger keine spürbare Entlastung.
Die Regierung verweist auf ihre Bemühungen zur Stärkung der Ernährungssicherheit und der Landwirtschaft, doch die Auswirkungen sind noch nicht flächendeckend sichtbar. Gleichzeitig gibt es anhaltende politische Spannungen, wie die bevorstehenden Nachwahlen am 27. November 2025 zeigen, die als wichtige Indikatoren für die politische Stärke der Regierung und der Opposition gelten. Auch Berichte über den Missbrauch von sozialen Medien und digitalen Werkzeugen durch die Behörden zur Unterdrückung von Gen Z-Protesten gegen Korruption und Steuergesetze werfen ein Schlaglicht auf die gesellschaftliche Stimmung.
Die Stimmung im Land: Zwischen Resignation und Widerstand
Die Stimmung in Kenia ist eine Mischung aus tiefer Besorgnis, Frustration und einer latenten Hoffnung auf Veränderung. Viele Kenianer fühlen sich von der Politik im Stich gelassen, während sie täglich ums Überleben kämpfen. Die wirtschaftliche Not führt zu einer Verschiebung des nationalen Dialogs weg von der reinen Politik hin zum „Haushaltsüberleben“. Die wachsende Zahl von Mangelernährung, insbesondere bei Kindern und schwangeren Frauen in den dürregeplagten Gebieten, ist ein herzzerreißendes Zeugnis der Krise.
Trotz der Härte der Situation gibt es auch Anzeichen von Widerstand und dem Ruf nach Rechenschaft. Die Jugend, die sogenannte Generation Z, hat in der Vergangenheit bereits ihren Unmut über Steuererhöhungen und Korruption auf die Straße getragen. Während direkte Massenproteste in den letzten Wochen weniger präsent waren, bleibt der Wunsch nach einer besseren Zukunft bestehen. Kenia steht vor immensen Herausforderungen, die nicht nur kurzfristige Hilfsmaßnahmen, sondern tiefgreifende strukturelle Veränderungen erfordern, um das Vertrauen der Bevölkerung zurückzugewinnen und das Land auf einen nachhaltigeren Pfad zu führen.
Symbolbild: Pixabay / xiSerge
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