Trotz Gutachten, keine Straßenausbaubeiträge für die Anlieger der Hauptstrasse in Winterscheid

Baustelle an der Hauptstrasse in Ruppichteroth-Winterscheid

Ein Gutachten zum Thema Kommunalabgabengesetz (KAG) hat in den letzten Wochen in den Printmedien Aufregung hervorgerufen. Ein Gutachter behauptete, dass in Kommunen im Haushaltssicherungskonzept die Übernahme der Anliegeranteile für Strassenbaumaßnahmen durch die Kommune eine freiwillige Leistung sei, der die Kommunalaufsicht nicht zustimmen dürfe. Für die Anwohner der Hauptstrasse in Winterscheid hätte das u. U. eine erhebliche Mehrbelastung bedeutet.

Die Fraktion BSG im Rat der Gemeinde Ruppichteroth stellte am 12.12.2022 eine Anfrage an den Bürgermeister Mario Loskill. Die Fragen bezogen sich darauf, ob die Bürger*innen in Kommunen, deren Finanzen durch die Kommunalaufsicht mitverwaltet werden, weiterhin anteilig an den Kosten für den Ausbau und Sanierung von bereits erschlossenen Gemeindestraßen beteiligt werden müssen.

In seiner Antwort vom 23.01.2023 gab Bürgermeister Loskill bekannt, dass er beim nordrheinwestfälischen Städte- und Gemeindebund (StGB NRW) um eine Stellungnahme gebeten hatte. Die Referentin bestätigte, dass das Land derzeit über eine Reform der Straßenausbaubeiträge nachdenkt und es evtl. auch ganz abschaffen will. Allerdings gebe es bisher keine Umsetzungen und es sei alles Spekulation. Laut geltender Rechtslage berechnet die Kommune den Anliegern den Anliegeranteil bei Straßenausbaumaßnahmen, das Land übernimmt den Anteil bei Vorliegen der entsprechenden Fördervoraussetzungen.

Zu den einzelnen Fragen beantwortete Bürgermeister Loskill, dass Straßenausbaubeiträge eine Pflichtaufgabe für die Gemeinde sind, damit werden die und Anlieger der Hauptstraße in Winterscheid nach derzeitiger Rechtslage keine Straßenausbaubeiträge leisten müssen.

Hier die Anfrage und die Antwort darauf im Wortlaut:

Anfrage der Fraktion BSG im Rat der Gemeinde Ruppichteroth vom 12.12.2022:

Sehr geehrter Herr Bürgermeister,

in den Printmedien war in den letzten Wochen (u. A. Siegener Zeitung vom 23.11.2022) zu entnehmen, dass ein von der Landesregierung, bei einem Kieler Juristen, in Auftrag gegebenes Gutachten zum KAG zu den Anliegerbeiträgen ergibt, dass in Kommunen, deren Finanzen durch die Kommunalaufsicht mitverwaltet werden, die Bürger*innen weiterhin anteilig an den Kosten für den Ausbau und Sanierung beteiligt werden müssen? Sollte dies zutreffen, haben wir noch die folgenden Fragen:

1. Ist es richtig, dass es sich um den Beitrag der Gemeinde, für den Ausbau und die Sanierung von bereits erschlossenen Gemeindestraßen, um eine freiwillige Leistung der Gemeinde handelt?

2. Würde die Kommunalaufsicht einer solchen freiwilligen Leistung zustimmen?

3. Im Falle der Ablehnung dieser freiwilligen Leistung, müssen dann die Anlieger den offenen Betrag (Anliegergebühren) selbst tragen?

4. Wenn die Anlieger die Kosten mittragen müssen, stimmt dann die Aussage der Landesregierung, dass der Straßenausbau und die -sanierung für die Bürger*inne kostenfrei ist?

5. Wie wirkt sich dies auf die Anwohnerbeiträge für den Ausbau der Hauptstraße in Winterscheid aus?

Antwort von Mario Loskill, Bürgermeister der Gemeinde Ruppichteroth vom 23.01.2023:

Ihre Anfrage zum Kommunalabgabengesetz (KAG) vom 12.12.2022

Sehr geehrter Herr Voigt,

ich habe Ihre Anfrage zum Anlass genommen, den nordrheinwestfälischen Städte- und Gemeindebund (StGB NRW), der als kommunaler Spitzenverband an Gesetzesvorhaben des Landes über Anhörungen beteiligt wird, um eine Stellungnahme zu bitten.

Die zuständige Referentin hat mir bestätigt, es sei richtig, dass das Land derzeit überlege, die Erhebung der Straßenausbaubeiträge zu reformieren und evtl. auch ganz abzuschaffen. Es gebe, so der StGB, mehrere Optionen und Ideen. Dazu gehörten auch die, die in Ihrer Anfrage beigefügten Presseartikel beschrieben worden sind. Bisher sei jedoch nichts davon umgesetzt, so dass auch der Verband nicht wisse, ob und wie das Land eine mögliche Abschaffung der Straßenausbaubeiträge umsetzen werde.

Zur Zeit könne nur auf die geltende Rechtslage verwiesen werden, wonach der Anliegeranteil bei einer Straßenausbaumaßnahme auf die Anlieger verteilt wird und das Land, bei Vorliegen der entsprechenden Fördervoraussetzungen, den Anliegeranteil zu 100 % übernimmt, die Anlieger also tatsächlich nicht mit Beiträgen belastet werden. Alles andere, so der StGB, sei Spekulation.

Soweit der derzeitige Wissensstand eine Beantwortung möglich macht, nehme ich zu den einzelnen Fragen wie folgt Stellung:

1. Ist es richtig, dass es sich um den Beitrag der Gemeinde, für den Ausbau und die Sanierung von bereits erschlossenen Gemeindestraßen um eine freiwillige Leistung der Gemeinde handelt?

Straßen stellen nicht nur die Erschließung der an sie angrenzenden Grundstücke sicher, sie erfüllen auch im Interesse der Allgemeinheit liegende Funktionen. So dienen z.B. Hauptverkehrsstraßen auch dem inner- oder überörtlichen Durchgangsverkehr, während Anliegerstraßen überwiegend der Erschließung der an sie angrenzenden Grundstücke dienen. Den Anliegerinteressen und dem Allgemeininteresse wird durch die satzungsmäßige Festlegung des Anliegeranteils, in der Höhe abhängig von der Funktion einer Straße, Rechnung getragen. Der verbleibende Anteil ist von der Gemeinde zur Abgeltung des Allgemeininteresses zu übernehmen. Dabei handelt es sich nicht um eine freiwillige Leistung.

2. Würde die Kommunalaufsicht einer solchen freiwilligen Leistung zustimmen?

Ich verweise auf die Antwort zu Frage 1. Es handelt sich nicht um eine freiwillige Leistung!

3. Im Falle der Ablehnung dieser freiwilligen Leistung, müssen die Anlieger dann den offenen Betrag (Anliegergebühren) selbst tragen?

Führt die Gemeinde an ihren der Erschließung dienenden und bereits ausgebauten Straßen Ausbaumaßnahmen oder Verbesserungen durch, sollen dafür nach $ 8 Abs. 1 Satz 2 des Kommunalabgabengesetzes für die auf die Anlieger entfallenden Anteile (siehe Ziffer 1) Beiträge erhoben werden. Rechtstechnisch bedeutet der Terminus „soll“ regelmäßig die Verpflichtung, entsprechend zu verfahren, es sei denn, atypische Gegebenheiten würden einen Verzicht auf die Erhebung von Ausbaubeiträgen rechtfertigen. Das ist zur Zeit noch die Rechtslage. Zur Frage, ob aber überhaupt eine Belastung entsteht, verweise ich auf die Antwort zur Frage 4.

4. Wenn die Anlieger die Kosten mittragen müssen, stimmt dann die Aussage der Landesregierung, dass der Straßenausbau und die -sanierung für die Bürger*innen kostenfrei ist?

Nach der derzeitigen Rechtslage ist diese Aussage zutreffend. Denn nach der durch Runderlass vom 3.5.2022 geänderten Förderrichtlinie Straßenausbaubeiträge übernimmt das Land 100 % des auf die Anliegerinnen und Anlieger entfallenden Anteils.

5. Wie wirkt sich dies auf die Anwohnerbeiträge für den Ausbau der Hauptstraße in Winterscheid aus?

Entsprechend der Förderrichtlinie Straßenausbaubeiträge werden nach der Straßenbaubeitragssatzung die auf die Anlieger entfallenden Kostenanteile ermittelt und als Straßenbaubeitrag festgesetzt. Gleichzeitig wird der Beitragsforderung schon im Beitragsbescheid die Landesförderung gegenübergestellt und damit die tatsächliche Beitragsforderung auf „Null“ reduziert. Die Anliegerinnen und Anlieger der Hauptstraße werden also nach derzeitiger Rechtslage keine Straßenausbaubeiträge leisten müssen.

Ich hoffe, Ihre Anfrage hiermit ausreichend beantwortet zu haben.